Heurigenkultur
Wusstest du, worüber sich Touristen beim Heurigen oft wundern?
Trockenrasen, Weingartenlandschaften, perlweiße Kellergassen und atemberaubende Sonnenuntergänge – es ist nicht zuletzt auch das teils mediterrane Flair unserer Landschaft, das Gäste verzückt und der genussvoll gelassenen Weinviertler Lebensart einen szenischen Rahmen gibt. Rein vinarisch gesehen liegt Österreich jedoch in der zweitkältesten Weinbauzone Europas, etwa in gleicher südlicher Breite wie das französische Burgund, aber wesentlich weiter östlich, wo das feucht-milde atlantische und das trockene, kontinental-pannonische Klima aufeinander treffen.
Damit ist auch das Weinviertel ganz offiziell ein „Cool-Climate“-Gebiet. Es liegt am westlichen Rand der pannonisch geprägten Klimazone, die sich südostwärts über die gesamte pannonische Tiefebene bis tief nach Ungarn erstreckt. Pannonisches Klima ist geprägt durch kontinentale Einflüsse mit großen Temperaturunterschieden und hohe Tag/Nacht-Amplituden. Auch im Weinviertel erleben wir meist heiße, trockene Sommermonate, oftmals milde, sonnenverwöhnte Herbsttage und kalte, aber schneearme Winter – perfekte Bedingungen für den Grünen Veltliner, der hier nicht nur Frucht und Frische, sondern auch jenes berühmte „Pfefferl“ finden kann, das ihn zum Weinviertel DAC macht.
Wie so oft im Weinviertel offenbart aber erst ein zweiter, etwas genauerer Blick die ganze Vielfalt unserer Landschaft – denn auch mikroklimatisch gibt es regionale Unterschiede. So gilt etwa das westliche Weinviertel als besonders niederschlagsarm, besonders im Regenschatten des Manhartsbergs, der die westliche Grenze des Weinviertels bildet: Mit gerade mal 368 Millimetern Regen war die Weinstadt Retz im Jahr 2018 der trockenste Ort in ganz Österreich – und auch im Hinblick auf die Sonnenstunden liefert sich das Retzer Land mit Poysdorf ein jährliches Kopf-an-Kopf Rennen um die meisten Sonnenstrahlen. Zwischen den beiden Orten liegt eine hügelige Landschaft, die hier vereinzelt auch gute Lagen für rote Tröpfchen bietet, Kenner sprechen von „Rotweininseln“. Man findet sie im Pulkautal rund um Haugsdorf, aber auch weiter nordöstlich, bei Herrnbaumgarten oder Schrattenberg. Und je weiter südöstlich man das Weinviertel durchstreift, desto spürbarer werden die warmen Luftmassen des pannonischen Klimas – so liegt die Durchschnittstemperatur in Wolkersdorf im Vergleich zu Retz nochmals ein halbes Grad höher.
Die Wärme und die Trockenheit, die im Weinviertel so spürbar ist, bekommt mit dem Klimawandel weitere Intensität und das – wirkt sich auch auf den Wein aus: Reben treiben früher aus, was öfter Schäden durch späten Frost mit sich bringt. Schon heute wird um Wochen früher gelesen, als noch vor dreißig Jahren. Die Weinviertler Winzer reagieren darauf bereits jetzt, passen unsere Weingärten bei Pflege und Planung neuen Bedingungen an. Es gilt, vorauszublicken, gewappnet zu sein und rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, die das Weinviertel und seinen Wein – allen voran den Grünen Veltliner – auf ein Klima im Wandel vorbereiten. Denn für’s Pfefferl ist es nicht unwichtig, dass das Weinviertel ein „cool-climate“-Gebiet bleibt.