Situation heute

Wusstest du, wie verzahnt wir heute mit unseren Nachbarn sind?

Vor wenigen Jahren verbrachte Erwin Pröll mit seiner Frau ein Wochenende in der Therme Laa. Am Abend saßen beide an der Bar des Hotels, unterhielten sich über früher und kamen dabei mit dem Barkeeper ins Gespräch, ein junger Mann aus dem nahen Znaim. „Irgendwann machte ich eine Bemerkung, dass wir hier heute entspannt einen Cocktail genießen, wo früher nur wenige Meter entfernt der eiserne Vorhang verlief.“, erzählt Pröll. Darauf habe ihn der junge Tscheche irritiert angesehen, was er denn meine mit dem Eisernen Vorhang. „Er konnte mit dem Begriff nichts mehr anfangen.“, stellte Pröll erstaunt fest. Ein Schlüsselmoment für den Politiker, der so lange für ein offenes Europa gekämpft hatte – aus dem Weinviertel heraus und letztlich auch für das Weinviertel selbst: „Denn das Weinviertel war nicht nur Weltbühne des Wandels zu offenen Grenzen hin – es war und ist auch ein Protagonist unseres gemeinsamen, freien Europas.“, sagt Pröll.

Längst hat die grenzüberschreitende Verzahnung alle Bereiche des gesellschaftlichen Miteinanders erfasst. Sie beginnt schon im Jugendalter, in mehrsprachigen Kindergärten und Schulen und erfasst weite Teile der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts. „Davon profitiert auch der Handel – wenn man sich etwa vergegenwärtigt, dass Tschechien und die Slowakei heute nach Deutschland zu den wichtigsten Exportmärkten Österreichs zählen.“ Auch im Tourismus und im Kulturbereich blüht das Miteinander wie nie zuvor, zahlreiche Initiativen und Kooperationen wie etwa das Festival Retz oder die Jazzbrücke Vysocina fördern den Austausch zwischen Weinviertler Kulturschaffenden mit ihren tschechischen oder slowakischen Kollegen. Für Pröll sind es aber nicht zuletzt die ganz natürlich entstehenden Gemeinsamkeiten, die es zu feiern gilt. „Wenn es ganz normal wird, dass man als Weinviertler Fan einer tschechischen Eishockey-Mannschaft ist – oder als Tscheche für ein Weinviertler Fußballteam kickt.“ – dann sei das der beste Beweis, dass das gute Beispiel immer die beste Wirkung erzielt.

Denn auf dem Weg zu einem offenen Europa und zu gelebter Gemeinsamkeit gab und gibt es immer auch Skepsis zu überwinden, die teils auf uralten Ressentiments beruht. Sie stammen aus dem 2. Weltkrieg oder aus der Zeit der Vertreibungen durch die Beneš-Dekrete. „Diese Zeit hat tiefe Wunden hinterlassen – und wer Grenzen abbauen will, muss sich der historischen Verantwortung stellen.“, sagt Pröll, für den sich diese Herausforderung etwa rund um die grenzüberschreitende Niederösterreichische Landesausstellung stellte. „Man kann nicht vorbei an diesen historischen Ereignissen, sondern muss einen Beitrag leisten, im Dienste der Versöhnung. Denn die Wut, das Nicht-Verzeihen-Können – das darf nicht bremsend wirken, im gemeinsamen Weg nach vorn.“

In diesem Zusammenhang steht die Leichtigkeit, mit der der junge tschechische Kellner nach dem Begriff des Eisernen Vorhangs fragt, fast ein bisschen symbolisch für die Selbstverständlichkeit, mit der wir Weinviertler unserer Rolle im offenen Europa heute begegnen. Dass uns, wo früher Stacheldraht und Gefängnis drohte, heute ein blaues Schild mit goldenen Sternen empfängt, ist für uns längst Gewohnheit. Dass offene Grenzen aber keine Selbstverständlichkeit sind, hat uns jüngst die Corona-Pandemie gelehrt. „Unsere gewonnene Freiheit und das nachbarschaftliche Miteinander müssen immer wieder geschätzt, gut gepflegt und verteidigt werden wollen.“, sagt Pröll, „Nur dann kann das Weinviertel grenzenlos offen bleiben – und sich wunderbar weiter entwickeln!“