Marchfelder Gemüse
Wusstest du, dass das Marchfelder Gemüse weit über die Grenzen des Weinviertels bekannt ist?
Ein Blick auf die Karte eines Weinviertler Heurigen verrät schnell, welchem Tier sich unsere kulinarische Tradition eng verbunden fühlt: Von G’selchtem über Surfleisch und Blunz’n bis hin zu Grammeln und Bradlfett’n dominiert das Schwein den heimischen Geschmack wie kein anderes Fleisch. Tatsächlich ist die Schweinezucht seit über 3000 Jahren ein fester Bestandteil unserer Landwirtschaft: Schon die alten Kelten, die das Weinviertel zu dieser Zeit besiedelten, betrieben hier nicht nur Ackerbau sondern auch Schweinezucht. Sie feierten rauschende rituelle Stammesfeste und tischten dazu Schweinsbraten und Blutwurst auf – wer hätte gedacht, dass diese beiden heute noch beliebten Spezialitäten zum kulturellen Erbe jener Zeit gehören!?
Auch im Mittelalter blieb das Schwein im Weinviertel weit verbreitet. Damals erinnerten die Tiere noch stark an Wildschweine und wurden häufig von Schweinehirten in Wäldern gehalten, wo sie sich von Eicheln, Bucheckern und anderen nährstoffreichen Leckereien ernährten. Ihren großen Aufschwung erlebte die Schweinezucht dann ab dem späten 18. Jahrhundert, als man vor allem in England begann, unterschiedliche Schweinerassen zu züchten, die von der Insel aus einen Siegeszug quer durch Europa unternahmen – „Mangalitza“, „Landrasse“ oder „Edelschwein“ sind bis heute ein Begriff.
Schließlich eroberte das Schwein auch die Höfe in den Weinviertler Dörfern – und versprach als Nutztier vor allem eines: Viel Ertrag. Wo Fleisch noch nicht als industrialisiertes Massenprodukt für Jedermann zu jeder Zeit verfügbar war, schätzte man es besonders – und achtete darauf, möglichst viele Bestandteile eines geschlachteten Schweins zu verwerten. Daraus entwickelten sich eine kulinarische Kreativität, der viele heutige Weinviertler Spezialitäten zu verdanken sind – etwa die köstliche Bradlfettn, die wir Weinviertler als Brotaufstrich genießen, die weithin bekannte Blutwurst und viele warme Gerichte wie etwa „Hirn mit Ei“. Oder das berühmte Grammelschmalz, das noch die Reste der ausgebratenen Speckteile enthält, die im Weinviertel als Grammeln auch pur oder leicht gesalzen gegessen werden. Fleisch, das nicht sofort verzehrt werden konnte, wurde haltbar gemacht – etwa mittels der konservierenden Eigenschaften von Salz als „Gesurtes“, „Surfleisch“ oder „Surbraten“ oder durch Räuchern in einer Räucherkammer, im Weinviertel besser bekannt als „Selch“. Bis heute gibt der Rauch dem „G‘selchten“ nicht nur seinen herrlich rauchigen Geschmack, er enthält auch Stoffe, die das Wachstum von Bakterien hemmen – und macht das Fleisch dadurch länger genießbar.
Während man in Europas Spitzengastronomie zur Jahrtausendwende zurück zu einer Philosophie fand, die „From Nose To Tail“ die volle Verwertung des Schweins zelebrierte – sah sich die Weinviertler Küche in ihrer althergebrachten Ursprünglichkeit bestätigt. Wer sich vom Ursprung nie weit entfernt hat, tut sich auch nicht schwer, zu diesem zurückzukehren. So gesehen ist die Speisekarte eines Weinviertler Heurigen mehr als nur ein Fest traditioneller Gaumenfreuden: Sie zeugt von Wertschätzung gegenüber dem Essen im Allgemeinen – und gegenüber dem Fleisch, dem Schwein im Besonderen.