Eva Rossmann
die Genießerin
„in der landschaft, in den weingärten, in den kornfeldern, in den kellergassen des weinviertels wird sich viel freude ereignen.“ Es sind einfache Worte, mit denen Hermann Nitsch auf seiner Website eines seiner berühmten 6-Tage-Spiele ankündigt – doch der Meister weiß um ihre Wirkung: Er gilt als einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart, als unangefochtener Pionier der Performance, als Begründer des Wiener Aktionismus. Seit den frühen 70er Jahren lebt und arbeitet Nitsch auf Schloss Prinzendorf im Weinviertel, von hier aus hat sein Werk die Welt erobert. Das ist kein Zufall.
Hermann Nitsch wird 1938 in Wien geboren und wächst während des zweiten Weltkriegs auf. Er erlebt die Gewalt dieser Zeit, die Furcht vor den Bomben, er verliert seinen Vater an der russischen Front. Und er begegnet dem Weinviertel, in Prinzendorf, wo er als Kind immer wieder Zeit verbringt, weil er dort Familie hat. „Wir sind von wien nach prinzendorf gefahren, um meine tanten und meine onkel zu besuchen und lebensmittel zu hamstern“, erinnert sich Nitsch. Es sind nur wenige Tage im Jahr – doch sie hinterlassen in Nitsch das seltene Gefühl einer gewissen Leichtigkeit. Und sie prägen den Kosmopoliten Hermann Nitsch, der das Universum sein Zuhause nennt. Längst ist er ein international renommierter Künstler, als er drei Jahrzehnte später zurückkehrt und die Gelegenheit ergreift, Schloss Prinzendorf aus dem Besitz der Kirche zu kaufen.
Fortan wird das Weinviertel zum Mittelpunkt seiner Arbeit. Hier finden seine Aktionen statt, hier feiert Hermann Nitsch den Kreislauf des Lebens, hier zelebriert er die Gegenwart – zwischen Vergangenheit und Vergänglichkeit. „In meinem theater wird nichts gespielt, alles passiert tatsächlich. Ich inszeniere reale geschehnisse.“, sagt der Meister über die 6-Tage-Spiele, sein Hauptwerk, das weltweit für Aufsehen gesorgt hat. „Die natur, die wunderbare weinviertler landschaft spielen darin eine große rolle.“ Aber auch das Wesen des Weinviertels, den „hang der menschen zum dionysischen, zur berauschung“ will Nitsch in sein Werk einfließen lassen. Kein Wunder, dass er auch mehrere Weingärten sein Eigen nennt, deren Erträgnisse nach alter Weinviertler Tradition gekeltert und in den berühmten Nitsch-Dopplern abgefüllt werden – selbstverständlich mit alljährlich neuem Etikett, gestaltet vom Meister persönlich.
Dabei ist ihm Authentizität und ein gewisses Bewusstsein gegenüber der eigenen Geschichte aber ebenso wichtig wie die damit verbundene optische Ästhetik des Weinviertels. Er bedauert den Verfall der originären Weinviertler Architektur, warnt vor dem Verbau und der Industrialisierung der Region, mahnt zum Erhalt des originalen, des echten Weinviertels und meint damit nicht nur die Bewahrung alter Bräuche sondern auch den Schutz von Natur und Landschaft. Nein, es ist kein Zufall, dass Hermann Nitsch das Weinviertel zum Mittelpunkt seines Lebens und Schaffens gemacht hat. Ein Mann, der seine Umgebung intensiv wahrnimmt. Ein Künstler, dessen Werk das Leben feiert – mit einer Intensität, die heute noch genauso bewegt wie vor 50 Jahren. „Ich möchte das größte fest der menschheit verwirklichen.“, sagt Nitsch über sein berühmtes 6-Tage-Spiel und fügt an: „Das weinviertel ist das umfeld meiner kunst.“ Einfache Worte – mit großer Wirkung.