Dewan

Wusstest du, was ein quantes Mischerl ist?

Wusstest du nicht? Nun, der Klingerfetzer weiß jedenfalls was ein quantes Mischerl ist. Er weiß auch, dass das Mischerl wirklich quant ist. Und er weiß, dass der ABC-Schütz das quante Mischerl draht hat, und dass der Ederbro von dem quanten Mischerl dem ABC-Schütz eine Kuavn gegeben hat und dann beide zu kniffen begonnen haben, all das weiß der Klingerfetzer, der Schluderer hat’s ihm erzählt, weil er’s von der Kowarin gehört hat und die Kowarin weiß alles.

Wir befinden uns auf einem Weinviertler Kirtag, irgendwann in den späten Nullerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Wochenlang dauerten die Vorbereitungen, die Burschenschaft hat wieder ganze Arbeit geleistet, noch prächtiger als im Vorjahr präsentiert sich jetzt der Ort. Rund um den Kirtagbaum ist alles ist geschmückt und herausgeputzt, überall herrscht geselliges Treiben. Es gibt Standeln, Schausteller, Schaukeln, ein Ringelspiel – und auf der Bühne lädt die Kapelle zum Tanz. Auch die Kapelle wurde von der Burschenschaft organisiert, sie kommt aus einer kleinen Ortschaft in den Leiser Bergen. Es ist dieselbe Kapelle, die schon im Vorjahr hier war. Und in den Jahren zuvor auch schon, immer wieder begeistern sie die Leute aufs Neue, darum werden sie immer wieder aufs Neue verpflichtet. Bis spät abends spielen sie jene Tanzmusik, die später als „Weinviertler Kirtagsmusik“ in die Geschichte eingehen wird. Polka, Märsche, Walzer – im Weinviertler Stil, aus der Feder von Weinviertler Komponisten, geschrieben für einen Weinviertler Kirtag wie diesen. Auch die Musiker sind Weinviertler. Und sie kommen herum, in dieser hohen Zeit der Weinviertler Kirtage touren sie richtiggehend von Kirtag zu Kirtag. Sie sind immer dort, wo getanzt, gefeiert und getrunken wird. Sie hören viel, sie sehen viel – auch manches, das vielleicht lieber geheim bleiben sollte. Also – entwickeln sie eine Geheimsprache, die „Dewarei“, die Weinviertler Musikantensprache.

Nur Weinviertler Kirtagsmusikanten beherrschen die Dewarei. Sie basiert auf dem Weinviertler Dialekt, ersetzt aber einzelne Worte durch komplett andere Begriffe, sodass ein Außenstehender nicht mehr folgen kann, schon gar nicht, wenn er zwei Musiker nur dewan hört. So steht das quante Mischerl für ein hübsches Mädchen und der Klingerfetzer ist der Trompeter der Kapelle, der nun eben von der Wirtin (Kowarin) erfahren hat, dass das Mädchen sich wohl mit ihrem Lehrer (dem ABC-Schütz) eingelassen hat, was ihren Bruder (Ederbro) wohl so erzürnte, dass er dem Lehrer nun eine Ohrfeige (Kuavn) gab, worauf die beiden zu raufen (kniffen) begannen. Das Vokabular der Dewarei dreht sich dabei vorwiegend um Begrifflichkeiten, wie sie auf einem Weinviertler Kirtag vonnöten waren. Vom Langkittel (Pfarrer) über die Manscherei (Speise) bis hin zu Plempo (Bier) und Koarl (Wein) reicht das Wörterbuch – selbstredend umfasst es auch alle Instrumentalisten einer Weinviertler Kirtagskapelle: Der Klarinettist wird zum Schluderer, der Trommler zum Pumperer und der Geiger zum Huschler. Miteinander schulern (musizieren) sie, sodass die Leute miteinander nigln (tanzen) können. Und wenn sie nicht schulern, dann dewan sie – auf dass ihre Geheimnisse gut gewahrt bleiben. Auf dass nicht allzu viele Menschen von dem quanten Mischerl und dem ABC-Schütz erfahren. Und vor allem – auf dass sie als Kapelle wieder verpflichtet werden, zum nächsten Kirtag, im nächsten Jahr.