Aufschwung

Wusstest du, dass unser Aufschwung schon vor den 90er Jahren begann?

Wenn Erwin Pröll über sein Weinviertel in der Zeit um den Fall des Eisernen Vorhangs spricht, fällt immer wieder der Begriff des Selbstbewusstseins. Schon in den 80er Jahren ist dieses Selbstbewusstsein ein entscheidendes Element seiner politischen Arbeit. „Als Politiker hatte ich Zugriff auf statistisches Material“ erzählt der spätere Landeshauptmann Niederösterreichs, „Ich sah die Zahlen zu den rückläufigen Geburtenraten, zur Abwanderung aus dem Weinviertel.“ Auf ernüchternde Weise untermauerten diese Zahlen das allgegenwärtige Gefühl des Stillstands, in dem das Land gefangen schien, an den Rand des westlichen Europas gedrängt, an eine unüberwindbare Grenze, gesichert durch Stacheldraht und schwerbewaffnete Grenzpolizei. „Es war, als hätte man dem Weinviertel die Möglichkeiten geraubt – und damit auch jedes Selbstbewusstsein.“

Schon in den Jahren vor dem Fall des Eisernen Vorhangs setzt er für die damalige Landesregierung eine Reihe von Maßnahmen, die dem Weinviertel eine Zukunftsperspektive geben sollen. Es sind punktuelle Aktionen und Investitionen, aber sie erstrecken sich über unterschiedliche Wirtschaftsbereiche – wie etwa die Etablierung des Kürbisses als alternatives Produkt in der Landwirtschaft oder der Umbau des prächtigen Althofs zum neuen VierSterne-Hotel für die historisch stolze Weinstadt Retz. „Für ein stärkeres Selbstbewusstsein spielt aber auch die Kultur eine große Rolle“, weiß Pröll. Einen Kristallisationspunkt findet er damals in Sitzendorf, wo das aus der Tschechoslowakei geflüchtete Künstlerpaar Milan und Ilena Ráček unter dem trotzigen Motto „Kultur der Nachbarn“ die Sitzendorfer Kulturtage organisiert – ein Impulsgeber für die Entwicklung des Weinviertler Kultursommers. „Wir wollten uns an jene Menschen wenden, die nicht abwanderten – und ihnen Mut zusprechen.“, erzählt der spätere Landeshauptmann, „Glaubt an euch. Glaubt an euer Land. Glaubt an eure Aufgabe in diesem Land. Wir können nicht zulassen, dass es völlig entsiedelt wird.“

Doch erst mit dem Ende des Eisernen Vorhangs beginnt sich das Weinviertler Selbstbewusstsein wirklich neu zu entfalten. „Quasi über Nacht war das Weinviertel nicht mehr Ende der freien Welt – sondern Mittelpunkt eines neuen und freien Europas.“, erinnert sich Pröll. Die folgenden 90er Jahre bringen einen nie gekannten Aufschwung. „Die Saat an Maßnahmen begann aufzugehen – jede Investition brachte eine vollkommen neue Perspektive!“ Aus vorsichtigen ersten Kontakten wird eine intensive Vernetzung mit unseren nördlichen Nachbarn. Aus einst mutigen touristischen Initiativen wird der neue Wirtschaftszweig des sanften Tourismus. Aus Grenzstädten wie Laa an der Thaya wurden Hotspots, die heute mehr Ein- als Auspendler verzeichnen. Und aus dem „schlafenden Riesen“, wie das Weinviertel früher von Weinkennern bezeichnet wurde, entwickelte sich eine lebendige, vielseitige und auf eigene Tradition bedachte Weinregion mit wunderbar authentischen Weinviertler Weinen.

„In einer zunehmend globalisierten Welt ist es wichtig, sich seiner eigenen, regionalen Stärken bewusst zu sein.“, ist Pröll überzeugt. „Für das Weinviertel war der Fall des Eisernen Vorhangs eine Jahrhundertchance –“, blickt er zurück, „und man kann mit großem Stolz sagen: Die Weinviertlerinnen und Weinviertler haben sie genutzt.“