Soziales Leben in der Kellergasse

Wusstest du, dass es heute auch Köllafrauen gibt?

Die Köllamauna, sie sind die mythenumrankten Protagonisten der Weinviertler Kellergassen. In der hohen Zeit der Dörfer ohne Rauchfang, im späten 18. und im 19. Jahrhundert verbrachten die Männer der Ortschaft viel Zeit in und vor den Presshäusern – und nicht nur, um hier zu arbeiten. Zu einem hohen Anteil waren sie Bauern, aber auch Lehrer, Kaufleute und der Dorfpfarrer verirrten sich nicht selten in die Kellergasse, die mit fortschreitender Zeit neben Arbeitsstätte zunehmend auch Begegnungszentrum wurde.

Hier wurden nicht nur edle Tröpfchen verkostet, sondern auch Neuigkeiten ausgetauscht, politische Diskurse geführt und Geschäfte gemacht – und das ganzjährig und nicht nur zur Lesezeit im Herbst. „Köllastund“ nannte man diese Treffen landläufig, obwohl sie meist länger als eine Stunde dauerten – oder „Köllapartie“. Dafür war man in den Kellergassen gut gerüstet: In den „Quargl-Kastln“ der Presshäuser lagerte frischer Käse, den die Köllamauna zu mitgebrachtem Brot genossen und natürlich zu mehreren Vierteln Wein. Kein Wunder, dass die Männer immer neue Gründe suchten und fanden, ihrem Refugium Kellergasse einen Besuch abzustatten – oder noch etwas zu bleiben. Frauen hingegen – traf man in den Kellergassen nur zur Zeit der Weinlese, mitunter bei den Pressarbeiten oder bei familiären Festen an. Und natürlich im Frühjahr, wenn die Kölla frisch „gweissnt“ wurden, wenn also die „Mäutaweiber“ mit ihren langen Bürschtn ausrückten, um dem Lehmmauerwerk der Presshäuser zu neuem Glanz zu verhelfen. Den Kellergassen haftet also der historische Makel an, eine reine Männerdomäne zu sein.

Das ist heute anders. Hinter dem neuen Leben, das unsere Weinviertler Kellergassen seit einiger Zeit erfüllt, stecken nicht selten auch junge Winzerinnen. Sie beteiligen sich an der Renovation von Presshäusern, werden Kellergassen-Führerinnen und starten Initiativen wie etwa eine wachsende Anzahl von Radler-Raststationen, an denen sich Radtouristen in bester Self-Service-Manier mit einem G’spritzten oder einem Glas Traubensaft erfrischen können. Belebt von sanftem Tourismus und unserer aufstrebenden Weinwirtschaft kehrt so die Geselligkeit in die Kellergassen zurück.

Für uns Weinviertlerinnen und Weinviertler ist das wichtig – und nicht nur, weil die Kellergassen das unbestrittene Wahrzeichen unseres Lands sind, das zunehmend Touristen anlockt und begeistert. Sondern auch, weil uns die Köllamauna mehr hinterlassen haben, als wir vielleicht auf Anhieb vermuten würden: Den Köllagatsch zum Beispiel, jenen traditionellen Brotaufstrich mit Surbraten und Käse, der so köstlich zum Veltliner schmeckt. Den Kalmuck-Janker oder die Kellerkatze. Oder den „Lesehahn“, die Feier zum Abschluss der Weinlese, bei der noch heute gern Geflügel gereicht wird. Aber auch der Martiniheurige, das Verkosten des Jungweins im November oder das „Greangehn“, das Ins-Grüne-Gehen zu Ostern, das sich vom biblischen „nach Emmaus gehen“ ableitet – sind heute noch bekannte und gelebte Bräuche, deren Ursprung in unseren Weinviertler Kellergassen liegt.