Auwälder

Wusstest du, dass an den Grenzen des Weinviertels der Dschungel wartet?

Uralte, mächtige Bäume in fruchtbarem Dickicht, umgeben von Feuchtwiesen und lagunenartig stehenden Gewässern und bevölkert von einer faszinierenden Tierwelt – wer im Osten und Südosten an die Grenzen des Weinviertels stößt, den erwartet eine Szenerie, die sich von drastisch von Weingärten und Trockenrasengegenden unterscheidet: Die Auwälder. Von den March-Thaya-Auen über die berühmten Donauauen mit ihrem wunderbaren Nationalpark bis ins Tullnerfeld schlängelt sich dem östlichen Weinviertel entlang ein feuchtes Band aus mäandernden Flussarmen, einen eigenen Klimaraum bildend, deutlich artenreicher als andere Auwälder des Landes – und im Hinblick auf seine Vielfalt und seine flächige Ausdehnung eines der top fünf Feuchtgebiete Mitteleuropas.

Die Lebensader dieser Auwälder sind ihre Flüsse, die gestalterische Kraft dieser Landschaft ist das Hochwasser. Bei Tieflandflüssen wie der March und der Thaya bricht es meist bereits im März über die Ufergebiete herein, deutlich früher als etwas weiter südlich an der Donau. Auch war ihr Überschwemmungsgebiet einst viel breiter, kilometerweit reichte es ins flache Weinviertler Vorland und stand dann oft bis in den Mai oder Juni, formte breite Wiesenzüge und verhinderte nachhaltig jeden Ackerbau, bis ihm der Mensch mit Flussregulierungen und Hochwasserschutzbauten Einhalt gebot. Wo das Wasser jedoch zum stehen kam, schuf es in Verbindung mit dem milden Klima unter Weinviertler Sonne einzigartige Urwaldlandschaften. „Man gliedert sie, je nach Häufigkeit ihrer Überschwemmungen, in die weiche und die harte“ Au.“, erklärt Landschaftsplaner Manuel Denner, der mit Schutz und Erhalt unserer Weinviertler Naturräume beschäftigt ist. In der mehrmals im Jahr überschwemmten weichen Au dominieren Weichholzarten den Auwald, etwa Weiden, Erlen und Pappeln, während in der harten Au, die nur alle zehn Jahre vom Hochwasser heimgesucht wird, entsprechend harte Gehölze wie Eiche, Ahorn und Esche zu finden sind.

Besonders in der weichen Au haben sich Fauna und Flora über Jahrtausende an die wechselnden Wasserstände angepasst, regenerieren sich rasch und brauchen sie heute sogar, um als Ökosystem langfristig zu bestehen. Weiden und Pappeln haben oft tagelang nasse Füße, nehmen dadurch aber keinen Schaden, sondern entziehen dem Schlamm seine wertvollen Nährstoffe. Die Dynamik des Wassers lässt den Fluss am Ufer knabbern, schafft neue Uferanrisse, und lässt Sand-, Kies- und Schotterbänke entstehen, auf die wiederum steile Prallhänge folgen können. „Wie auch in unseren kleinstrukturierten Weingartenlandschaften, spürt man deutlich: Abwechslungsreichtum schafft Artenvielfalt“, weiß Denner. Für den berühmten Eisvogel etwa, der im Nationalpark Donauauen anzutreffen ist, sind die neuen Uferanrisse ideale Plätzchen für den Bau seiner Brutröhren. Für echte Urwald-Relikte wie den unscheinbaren, aber streng geschützten und ultraseltenen Eremit-Käfer sind die alten, mächtigen Bäume der Auwälder ein letzter Zufluchtsort. Und die zahlreichen gefüllten Gräben und stehenden Kleingewässer sind ein Refugium für Fische, Amphibien und hunderte Insektenarten.

Eine in Mitteleuropa auf so kleinem Raum einzigartige, spektakuläre Naturlandschaft, die die Vielfalt unseres Weinviertels zu seinen östlichen und südlichen Grenzen hin abrundet. Und die sich auf geführten Touren bis ins Detail erkunden lässt – für immer mehr Gäste und Touristen. Aber auch für uns Weinviertlerinnen und Weinviertler!