Begriff Weinviertel
Wusstest du, dass das Weinviertel nicht immer Weinviertel hieß?
Sanft und gleichmäßig wippen sie in der Weinviertler Sonne auf und ab. Sie fördern zu Tage was schon seit Millionen von Jahren in der Tiefe der Erde schlummert und nur auf seine Entdeckung gewartet hat. Wer nicht aus dieser Ecke des Weinviertels stammt, meint, beim Anblick dieser Maschinen, in einer dystopischen Zukunft angekommen zu sein. Kein Wunder, nirgendwo sonst in Österreich stehen sie, die aus Metall geformten „nickenden Pferde“ – die Ölförderpumpen im östlich gelegenen Teil des Bezirks Gänserndorf. Das Erdöl im Weinviertel blickt auf eine spannende Geschichte zurück, die noch lange nicht zu Ende geschrieben ist. Denn die unter der Erdoberfläche verborgenen Reserven des schwarzen Golds sind auch heute noch nicht erschöpft.
Begeben wir uns zunächst auf eine Zeitreise: Lange bevor der erste Mensch auf der Erde gewandelt ist, vor über 100 Mio. Jahren, war das Gebiet des heutigen Weinviertels mit Salzwasser bedeckt. Am Grund dieses Urmeers lagerten sich mit der Zeit organische Materialien wie Plankton ab. Über Jahrmillionen wurden diese Schichten mit Ton und Sand bedeckt, aus den organischen Resten konnte unter Sauerstoffabschluss sogenannter Faulschlamm entstehen. Mehrere Millionen Jahre später begann das Wiener Becken abzusinken, ausgelöst durch die Verschiebung von Kontinentalplatten. Die dadurch entstehenden Kräfte wirkten mit großem Druck auf die Schichten aus Faulschlamm und sorgten für stark ansteigende Temperaturen. In diesem Prozess entstanden Erdöl und Erdgas – es bildete sich das größte zusammenhängende Ölfeld auf europäischem Festland. Auf einer Fläche von 14.000 Fußballfeldern führt es in 20 Schichten Öl und Gas.
Entdeckt wurde es von einem slowakischen Bauern, der im frühen 20 Jahrhundert versuchte, seinen Hof mit selbstgefördertem Erdgas zu heizen – was mit einer zerstörerischen Explosion endete. Es folgten mehrere Bohrungen, die anfangs noch sehr unergiebig ausfielen. Erst in den 1930er Jahren gelang die erste wirtschaftliche Förderung, die täglich 30 Tonnen Rohöl die aus der Erde zog. Nur 20 Jahre später wurde hier bereits so viel Öl und Gas gefördert, dass Österreichs Bedarf nur durch Eigenproduktion gedeckt werden konnte. Die Wirtschaft jubelte. Der Beginn der Öl- und Gasförderung bedeutete aber auch große Veränderungen für die Bevölkerung rund um Neusiedl an der Zaya. Aus Bauern wurden Ölarbeiter. Viele Techniker und Arbeiter begannen in die Gegend zu pendeln, wollten verköstigt und unterhalten werden. Lokale Gasthäuser und Greißler profitierten – was die anfänglichen Probleme bei den Bohrungen zumindest teilweise positiv aufzuwiegen vermochte. Denn während der Aufschließung kam es immer wieder auch zu Gas- und Schlammausbrüchen, umliegende Äcker wurden verunreinigt, große Krater entstanden, in denen ganze Bohrtürme in die Tiefe sanken – bis die Förderung in den Folgejahren sicherer und nachhaltiger wurde.
Noch immer fördern die „nickenden Pferde“ der Region kostbares Öl aus dem Boden. Wie lange noch – steht in den Weinviertler Sternen. Denn das Öl, es ist in Verruf geraten, der Klimawandel fordert ein Umdenken und stellt uns vor die Suche neuer Ideen und Technologien – auch im Weinviertel.