Hermann Nitsch
der Aktionist
„Soviel Wein es im Weinviertel gibt, soviel Weinviertel gibt’s in mir.“ Eigentlich hätte es klar sein müssen, dass Otto Jaus an seinem Selbstverständnis als Weinviertler keinerlei Zweifel lassen würde – schließlich ist es eine Weinranke mit Trauben, die das stolze Wappen seiner Heimatgemeinde Großebersdorf ziert. Doch die Frage nach dem Weinviertler in Otto Jaus – die hört der österreichweit bekannte Schauspieler und Sänger nicht zum ersten Mal. Vielleicht, weil das kleine Großebersdorf nicht nur am Übergang vom Marchfeld zum Weinviertler Hügelland liegt, sondern eben auch am Stadtrand von Wien. Vielleicht aber auch, weil es Otto Jaus schon in jungen Jahren in die nahe Stadt zog – zunächst als Kind zu den Wiener Sängerknaben, später ans Konservatorium, wo er Schauspiel, Gesang und Tanz studierte.
Doch obwohl der Stadt bald weitere (teils ferne) Städte folgten, musste Otto Jaus nicht erst die große weite Welt bereisen, um sein Talent zu entdecken. Er war Teil mehrerer Weinviertler Bands und Musikprojekte, spielte auf Schloss Wilfersdorf und erinnert sich besonders gern an seine Zeit an der Felsenbühne Staatz, wo er als „Aladdin“ seine Musical-Anfänge erlebte: „Wenn man sich ansieht, wie sich Staatz seither entwickelt hat, wie enorm das gewachsen ist und wieviele Menschen dort heute mitarbeiten – dann kann man die Dynamik erahnen, die im Weinviertel möglich ist.“, meint Jaus und bescheinigt dem Weinviertel eine „eigene kulturelle DNA“, die nicht zuletzt in der Kultur der Weinbauern ihren Ursprung finde: „So manches Wienerlied ist in Wahrheit ein Weinviertlerlied.“, lächelt Jaus, „entstanden in bester Weinviertler Weinseligkeit – beim Heurigen!“ Und apropos Heurigen, auch den Schmäh haben die Wiener in Jaus‘ Augen nicht für sich allein gepachtet. „Das merkst du, wenn du mit alteing’sessenen Weinviertlern am Heurigentisch sitzt. Da rennt der Schmäh mit feiner Klinge, da sagt der eine dem anderen, dass er ein Volltrottel ist und der glaubt, man hat ihm gerade ein Kompliment gemacht.“ Jaus lacht. „Das ist die hohe Kunst der Weinviertler Diplomatie.“
Überhaupt ist es die Weinviertler Heurigenkultur, mit der Jaus seine Heimat verbindet. Wenn er heute „nach Hause“ kommt, lässt eine ausgedehnte Heurigentour nach Enzersfeld nicht lange auf sich warten. „Auf das kann ich mich freuen, wie ein Kind – vielleicht weil wir uns hier schon als Kinder immer wohl gefühlt haben.“, erzählt er mit kabarettistischem Unterton und spricht die Kinderfreundlichkeit der Weinviertler Weinbauern an. „Wir haben am Heurigenbankerl g‘schlafen, weil die Eltern ned heimgegangen sind – aber ‚Kinder, seids leise!‘ haben wir nie gehört.“ Bei allem Schmäh sei es doch genau diese entspannte Haltung, die das Weinviertel ausmache, sagt Jaus wieder etwas ernster. „Wir müssen gut auf das Weinviertel aufpassen.“, resümiert er nachdenklich. „Wir müssen auf unsere Natur aufpassen, und dass sich unser ländlicher Charakter nicht von Lagerhallen verdrängen lässt. Dass die Entwicklung nicht schneller ist als die Gemütlichkeit. Dass des Zrugg-glahnte bleibt. Ah ja – und dass der Welschriesling nie mehr als elf komma fünf Prozent kriegt.“