Ratschen

Wusstest du, dass der Weinviertler mit der Schubkarre ratscht?

Wenn die Glocken von Gründonnerstag bis in die Osternacht „nach Rom geflogen“ sind, dann wird es Zeit für unsere Kinder die Ratschn hervorzuholen und laut lärmend durch die Straßen zu ziehen – am besten gleich mehrmals täglich. Denn eigentlich soll der althergebrachte Brauch des Ratschns, die Gläubigen trotz Verstummen der Glocken dreimal täglich an das Gebet erinnern – und obwohl er nicht nur im Weinviertel ausgeübt wird, gibt es doch einige Weinviertler Besonderheiten.

Seit jeher hat das Ratschn im Weinviertel einen wichtigen Stellenwert – und es ist nicht selten verbunden mit strengen Regeln. Kinder, die sich dazu entscheiden, während der Osterferien, Teil dieses Brauchs zu werden, durchlaufen in ihrer aktiven Zeit eine hierarchische Stufenleiter: Wer zu Beginn noch als „der letzte Schreier“ antritt, ratscht sich allmählich zum Ratschnmeister und später zum Altvater hoch – und das lohnt sich, denn der Ratschnmeister hat ein straffes Kommando über seine Gruppe. Pünktliches Erscheinen zu den angesetzten Terminen, eine exakte Aufstellung und Marschordnung und der präzise Einsatz der Ratschn sind wichtig – denn die Ratscher bilden in diesen drei Tagen eine Gemeinschaft. Früher war es keine Seltenheit, dass die Ratscher sogar nach Sonnenuntergang in einer Gruppe zusammen blieben und die Nacht außerhalb der Dörfer verbrachten. Wenn es diesen Brauch auch nicht mehr gibt, so haben zumindest die Schubkarren-Ratschn bis hin die heutige Zeit überlebt – als Weinviertler Besonderheit. Wie ihr Name verrät, ähneln sie im Aussehen einer Schubkarre und werden auch wie diese am Boden entlang vor sich hergeschoben, um das durch alle Gassen schallende Klappern zu erzeugen – oft sind sie sehr festlich geschmückt und reich mit Blumen und rot-weißen Bänder verziert. Und war das Ratschn früher nur den Burschen vorbehalten, trieb der Personalmangel über die Jahrzehnte die Emanzipation voran, mit dem Ergebnis dass es heute tendenziell mehr Mädchen sind, die für ordentlich Lärm sorgen – und auch längst Führungspositionen bei den RatscherInnen übernehmen! Begleitet wird der Lärm der Schubkarrenratschn von im Chor aufgesagten Sprüchen, wie zum Beispiel dem sogenannten „Englischen Gruß“. Anders als man vermuten könnte, kommt dieser nicht aus England – sein Inhalt gibt vielmehr die Begrüßung Marias durch den Erzengel Gabriel wieder, woher auch die Namensgebung kommt. Beim letzten Durchgang gehen die Ratscher dann von Haus zu Haus, bitten um „ein rotes Ei“ – und erhalten meist eine kleine Geldspende oder Süßigkeiten als Belohnung für ihren Fleiß.

Der Brauch des „Ratschns“ (seit wenigen Jahren überigens immaterielles UNESCO-Kulturerbe) zeigt sehr schön, dass das Weinviertel schon immer über seine Grenzen hinaus kulturell mit anderen Regionen Österreich aber auch Europas verbunden war – und gewisse Bräuche übernahm, aber regional „verfeinerte“. Ein weiteres Beispiel dafür wäre das Striezelpaschen: Der Allerheiligenstriezel ist in anderen Regionen Österreichs, wie auch in Bayern lang gelebte Tradition. Aber nur im Weinviertel wird am Vorabend zu Allerheiligen darum gewürfelt („gepascht“) – ein Glaserl Sturm oder Jungwein inklusive