Kirtag
Wusstest du, was „Durchjuchzen“ ist?
Der Wein ist der unangefochtene Taktgeber unserer Weinviertler Kultur. Von Frühling bis Winter hat er Saison, prägt unseren Jahreskreis und damit unsere Feste – ganz besonders im Herbst, in der Zeit zwischen Weinlese und Martini, vom späten August bis in den November. In dieser Zeit, die mit dem Duft der Lese beginnt, in der sich unser Land in ein prächtiges Farbenmeer verwandelt, rücken wir Weinviertler den Wein ins Rampenlicht einer Vielzahl von Bräuchen und Festlichkeiten. Große Volksfeste wie das Retzer Weinlesefest, traditionelles Brauchtum wie der Haugsdorfer Hiatagang, aberzählige Verkostungen, Heurigenfeste und Kellergassenevents prägen unsere „fünfte Jahreszeit“. Viele davon sind historisch überliefert und haben sich bis heute gehalten. Andere wurden neu erdacht, sind das Ergebnis eines aufblühenden Tourismus und einer neu erstarkenden Weinwirtschaft. Und nicht selten – vermischt sich im Weinviertler Weinherbst Tradition und Moderne zu einem lebendigen Veranstaltungsreigen.
Wie etwa in Wolkersdorf im Weinviertel wo der Weinherbst durch das Aufstellen der Hüterbaums am Hauptplatz eröffnet wird – er war früher, als die Weingärten noch durch „Hiata“ bewacht wurden, ein Zeichen der Hutzeit. Heute eröffnet er einen vinarische Entdeckungstour, bei der die Winzer der Region ihre Kellertüren, Heurigenlokale, Koststüberl und Presshäuser öffnen, um mit Gästen von nah und fern ihren Wein zu feiern. Aber auch „Fiata-Diplom“ knüpft an uralte Weinviertler Traditionen an. Es ist nur eine der vielen für Gäste und Touristen erdachten Highlights dieser Zeit und wendet sich an Weinliebhaber, die über den Glasrand hinausblicken und den Weinviertler Herbst als Winzer erleben wollen. Im Zuge eines Wochenendaufenthalts lernen sie im Weingarten die traditionelle händische Weinlese kennen, köstliche Lesejause und Sturmverkostung inklusive. Wer besteht (und mal ehrlich, unsere Gäste lassen wir immer bestehen), dem wird feierlich das „Fiata Diplom“ verliehen – in Verneigung vor der „Fiata“, der früheren Arbeitschürze unserer Weinviertler Bauern.
Aber nicht nur Weinliebhaber kommen im Herbst auf ihre Kosten. Auch ein reiches Kunst- und Kulturangebot wartet auf Besucher von nah und fern. In der wunderbaren Kellergasse „Oagossn“ in Falkenstein wird die Fünfte Jahreszeit mit dem Wein-Kunst-Kultur-Fest bei Kerzenschein eröffnet, zwei Tage lang steht jeder Weinkeller unter einem eigenen kulinarischen, kulturellen und künstlerischen Motto. In Mistelbach hingegen nehmen die Schüler der Landwirtschaftlichen Fachschule Anlehnung an alte Schlachtfest-Bräuche und veranstalten den „Sautanz“ – ein lukullisches Happening mit köstlich-kulinarischen Highlights vom Schwein wie etwa dem „Stockfleisch“, zu denen stilsicher frischer Sturm gereicht wird. Und wenn in diversen Weinviertler Dörfern knatternde Oldtimer-Traktoren im Herbst mit Gästen den „Hotta“ abfahren, dann knüpft auch das an traditionelles Brauchtum an – denn den „Hotta“, die Grenzen des Gemeindegebiets, ging man früher mit den Burschen der letzten Schulklasse ab, um ihnen eben diese gut einzuprägen.
Nicht überall wird die „Fünfte Jahreszeit“ so offiziell beendet wie in Wolkersdorf, wo der Hiatabam im November feierlich umgeschnitten wird. Vielerorts geht der Weinherbst fast unmerklich in den Spätherbst über und mündet in einen Advent, den wir Weinviertler nicht minder feierlich begehen. Aber das – ist eine andere Geschichte.